rosengesellschaft schweiz
Die Kartause Ittingen zur Zeit der Familie Fehr von 1867 bis 1977
Text: Daniela Stuber, Bilder: Ittinger Museum

Im Anschluss an die Säkularisierung im Kanton Thurgau 1848 kam es zu verschiedenen Besitzerwechseln, bis der damals 21-jährige St. Galler Bankiersohn Viktor Fehr 1867 die Kartause für CHF 308‘000 erwarb. Drei Generationen der Familie bewohnten die historischen Bauten während 110 Jahren, ohne Teile davon zu Geld machen zu müssen, was bedeutet, dass die Anlage praktisch unverändert bis heute erhalten blieb.
Bis zu seinem Tod 1938 mit 92 Jahren führte Viktor einen personalintensiven Gutsbetrieb und aus dem Kartäuserkloster wurde ein feudaler Landherrensitz. Sein Einsatz für eine Mechanisierung der Landwirtschaft wurde 1931 mit dem Ehrendoktortitel der ETH gewürdigt. Als Vorsitzender des schweizerischen Bauernverbandes und Kavallerieoberst heiratete er 1882 die älteste Tochter der „Rötheli“ Familie Gsell-Lutz, Anna Maria, die nun den hauswirtschaftlichen Betrieb des Gutes betreute und ihm die Kinder Edi, Margarethe, Werner und Mary schenkte. Am 3. September 1912 traf der deutsche Kaiser Wilhelm II. in Basel ein, empfangen von einer Delegation ranghoher Offiziere der Schweiz, die ihn nach Zürich begleitete, wo er von Bundespräsident Ludwig Forrer in Anwesenheit der Bundesräte Giuseppe Motta und Arthur Hofmann begrüsst wurde. In ihrer Begleitung wohnte der Kaiser verschiedenen Manövern in der Ostschweiz bei. Fabriken und Schulhäuser standen leer, auf den Feldern arbeitete niemand. „Emil, sagte der Vater zum 15-jährigen Sohn, wenn so einer in unser Land kommt, um sich bei uns die Herbstmanöver anzusehen, dann tut sich was.“ Die Thurgauer erfasste ein regelrechtes Kaiser-Fieber. Wilhelm II. war Gast in der Kartause Ittingen, wo vor seinem Besuch das erste Wasserklosett eingebaut wurde. Die Kartause beeindruckte den Kaiser, so berichtete es die Thurgauer Zeitung. Am 7. September ging die Kaiserwoche zu Ende und die Soldaten kehrten nach Hause zurück. Die Stippvisite war wohl eher ein gesellschaftlicher Anlass als ein Prüfen der schweizerischen Kampfstärke. Nach dem 2. Weltkrieg überstieg der Unterhalt der ausgedehnten Anlage die Möglichkeiten einer privaten Familie mehr und mehr, und so wurde 1977 die Stiftung Kartause Ittingen gegründet und die Kartause verkauft.
Für weitere Informationen sei auf die Publikation von Markus Landert und Felix Ackermann verwiesen: „Die Kartause Ittingen – Einblick in Geschichte und Leben“.